top of page
rebecca928

#5 | Weiter westwärts - von Barcelona nach Cascais

Aktualisiert: 16. März 2024

Barcelona, Lissabon, Cascais

Dezember 2023


Pläne kommen und Pläne gehen… So fühlt es sich zumindest in Barcelona für mich an.

Eine Nacht hatte ich eigentlich nur bleiben wollen, um am nächsten Tag weiter Richtung Gibraltar zu trampen. Am Ende werden es fünf Nächte.

Josh, mein Couchsurfer-Host ist superlieb, hat viel Zeit und gibt mir einige gute Tipps für umliegende Attraktionen. Während zu Beginn noch eine Freundin mit ihrer Tochter zu Besuch ist, sind wir ab Freitagabend nur noch zu zweit.

Nicht so fluffig wie gewohnt, aber trotzdem ganz lecker :)

Es dauert nicht lange, da hat sich so etwas wie eine Art WG-Leben entwickelt: Ich helfe im Haushalt, unterhalte Josh mit bereits erlebten Geschichten und versuche mich einmal spontan an einem veganen Kaiserschmarrn, den ich sehr improvisieren muss, denn auch wenn Josh vegan lebt, hat er nicht alle Zutaten dafür im Schrank vorrätig.

In der Sagrada Familia

Am Sonntag stelle ich mich in aller Herrgottsfrühe in die Schlange vor der Sagrada Familia. Jeden Sonntag findet hier eine Internationale Messe statt, für die man – im Gegensatz zum Besuch außerhalb der Gottesdienstzeiten – keinen Eintritt bezahlen muss. Nur das Glück, einen Platz zu bekommen, muss man haben.

Ich habe es und kann das Gewölbe, die Farben, die Lichter, die außergewöhnliche Atmosphäre der Basilika endlich einmal mit eigenen Augen erblicken.

Nachmittag am Port Vell

Im Café nahe „unserer“ Wohnung hole ich mir jeden Morgen eine heiße Schokolade und einen Croissant, arbeite an meinem Blog, erstelle Zettel für meine Bootssuche und beginne damit, Videos zu schneiden. Nachmittags erkunde ich die Stadt, schlendere am Pier entlang, schaue mich auf den Weihnachtsmärken um, setze mich neben die Straßenmusiker, erkunde die Universitäten und genieße die Ruhe der Parks.


Barcelona gefällt mir mit jedem Tag mehr und es fällt mir schwer, am Dienstag meine Sachen zu packen und mit der U-Bahn zu meinem nächsten, ausgewählten Hitchhikingspot, einer Tankstelle an der Autobahn, zu fahren.

Nicht immer kann alles funktionieren

Das Problem (und davor hatten mich schon etliche Tramper und Internetforen gewarnt): Trampen ist in Spanien irre, irre schwer. Hatte ich mir aufgrund meines bisherigen Glücks deswegen nicht allzu große Sorgen gemacht, muss ich diese Tatsache nun schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Während der 6h, die ich zitternd an der windigen Tankstelle stehe, hält kein einziges Auto an. Ich wechsle mehrmals den Spot, schreibe nähere Ziele auf mein Schild, spreche Leute persönlich an, aber… keine Chance. Eine ältere Frau wird sogar regelrecht wütend, als ich sie vorsichtig mit meinem wackeligen Spanisch anspreche. Kein Spur von den freundlichen Gesichtern und winkenden Leuten, die ich aus Frankreich gewohnt war. Tramper sind hier nicht willkommen, scheint mir die Situation sagen zu wollen.

»Irgendwie habe ich gerade ein kleines Down«, schreibe ich in mein Tagebuch. »Gestern erfahren, dass meine Wanderstöcke in Marseille am Flughafen hängengeblieben sind und ich sie womöglich nie wiederbekomme. Heute nimmt mich niemand mit. Mir ist kalt. Keine Lust mehr.«

Es ist erst 14 Uhr am Nachmittag, als ich das Trampen aufgebe und mir ein Busticket nach Lissabon kaufe. Dort warten zwar nicht meine Wanderstöcke auf mich, dafür in Cascais Valentin, der mich eventuell mit auf die Kanaren nehmen wird. Nach Gibraltar wollte ich ohnehin nur, um auch dort einen meiner »Crew available«-Zettel aufzuhängen. Und es stand so lange als Ziel meines Durch-Europa-Trampens fest, dass ich es eigentlich doch einmal mit eigenen Augen sehen wollte.

Aufgegeben

Nachdem ich die Tankstelle verlassen habe und eine Stunde später nahe des Busbahnhofs in einem Café sitze, merke ich, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist. Natürlich hätte ich es noch weiter mit dem Trampen versuchen können – Tageslicht gibt es noch zu diesem Zeitpunkt noch ausreichend -, aber ich habe mein Busticket, das mir die Sicherheit gibt, voranzukommen und weiter als bis Valencia wäre ich heute ohnehin nicht mehr gekommen. Valentin weiß noch nicht, wann genau er ablegen wird, aber wenn es so weit ist, möchte ich nicht auf einem Parkplatz irgendwo in Südspanien feststecken.

Der Bus geht erst am nächsten Tag um 7 – Zurück zu Josh gehen will ich, nachdem ich einmal gegangen bin, nicht. Das Café wird bis zum Abend mein Zuhause, vielleicht schlafe ich am Busbahnhof, überlege ich.

Als ich diese Überlegung Josh schreibe, bittet er mich, doch zum Schlafen nochmal vorbeizukommen. Weil mir die Nacht am kalten Busbahnhof dann doch eher weniger zusagt, gehe ich letztlich doch zurück und verbringe einen unterhaltsamen letzten Abend in Barcelona.

Deutlich bessere Laune als noch am Vortag

Der Bus am nächsten Morgen kommt 2 Stunden zu spät – er kommt aus Zürich, hat bereits Frankreich durchquert und wird bis heute Abend in Lissabon sein, eine Strecke von mehreren tausend Kilometern. Die beiden Busfahrer, die sich während der Fahrt abwechseln, sind lustig drauf, reißen einige Witze auf Spanisch und zählen nach jeder Pause ihre Schützlinge durch – ein wenig komme ich mir vor wie auf einem Schulausflug.

Die Metro von Lissabon hat ihren Charme

Nach den ersten sieben Stunden Fahrt wird es in Madrid voller. Ich bekomme einen Sitznachbarn – einen Inder, Shivam, der nur wenig Englisch spricht, mir aber bereits nach einem kurzem Google Übersetzer-Austausch seinen Kontakt gibt, »sollte ich mal in Indien vorbeikommen«.


In Lissabon stehe ich kurz nach Mitternacht und 16h Busfahrt an einem Bahnhof und versuche gerade, herauszufinden welches der vielen Tickets ich benötige, als mir ein leicht verwirrt wirkender Mann seine Viva Viagem Card in die Hand drückt und wieder in dem nahezu leeren Gebäude verschwindet. Erleichtert lade ich sie mit etwas Guthaben auf und fahre zu Koko, meinem Couchsurfer.

Die Viva Viagem Card ist eine Top-Up-Card, d.h. man lädt sie immer wieder mit Guthaben auf, was Zapping genannt wird. Damit ist die Einzelfahrt preiswerter als sich jedes Mal einen Einzelfahrschein zu kaufen. Ich hätte mir die Karte auch einfach für 50ct am Automaten ziehen können, aber das hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchblickt.
Lissabonner Innenstadt

Koko ist in seinen Zwanzigern, stammt aus Indien und macht gerade seinen Master im Management hier in Lissabon. Vorher habe er nach seinem Bachelor ein Hostel in Indien geleitet, erzählt er mir. »Es war ein Ort der Zusammenkunft, jeder kam gerne. Und ich habe jeden aufgenommen. Auf dem Dach haben wir internationale Musik gespielt. Immer wieder hatten Menschen Instrumente aus ihren Heimatländern dabei. Es war magisch.« Wegen Corona musste er schließen, erzählt Koko. Dann entschied er sich, seinen Master in Europa zu machen, sich vielleicht hier niederzulassen. »Mein Traum ist es, ein Haus zu haben, in dem jeder willkommen ist. Einen Raum für mich, einen Raum für jeden, der kommen mag. Meine Tür soll immer offen stehen.«

Erster Aushang in einem Hafenbüro :D

Zurzeit lebt er in einer WG und wegen deren Regeln kann er mich nur eine Nacht beherbergen, wie er mir fast schon traurig mitteilt. So mache ich mich am nächsten Abend nach einer kleinen Stadterkundung, einer Fahrt mit der berühmten, historischen Straßenbahnlinie 28E und dem Aufhängen einer meiner Steckbriefe im Hafen von Lissabon auf den Weg ins nur wenige Minuten entfernte Cascais an der Atlantikküste.


Hier wohne ich bei João, ebenfalls Couchsurfer und die meiste Zeit bekifft oder zumindest ein wenig zugedröhnt. Sein Apartment ist wunderbar rustikal maritim eingerichtet und liegt über den Dächern der Stadt mit einem grandiosen Blick auf den Ozean. Zusammen besuchen wir in den nächsten Tagen den lokalen Markt, kaufen ein, wandern an den Stränden der portugiesischen Küste entlang und erkunden die Stadt.

Ein Ausflugstipp, wer sich einmal in dieser Gegend herumtreiben sollte: Von Cascais aus die Küstenstraße in Richtung Norden nehmen (allein das ist schon den Ausblick wert). Am Parkplatz des Praia do Guincho halten und zu Fuß über die Steine laufen. Auf dem Weg zum Cabo da Roca, dem westlichsten Punkt Europas, passiert man hier einige abgelegene Buchten, deren Strände auch während des Sommers nicht so überfüllt sind wie der Rest der portugiesischen Küste.
Cascais

Während mein Gastgeber arbeitet, spaziere ich meist die 30min hinunter zur Marina, entlang der charmanten Altstadtgebäude, den Palmen und dem Weihnachtsmarkt, der mir bei 17 Grad und Sonne ein wenig fehl am Platz erscheint.

Ich gebe einen weiteren Steckbrief im Hafenbüro ab und treffe mich mit Valentin, dem Freund von Hugo, der über den Atlantik segeln möchte. »Das Ersatzteil für den Motor kommt am Montag«, erzählt er mir. »Am Mittwoch sind die Wetterprognosen gut. Da würde ich gerne los.« Sein Boot sei aber wirklich klein, gesteht er mir und legt mir nahe, mich bereits hier nach einem Boot umzuschauen, das mich bis über den Atlantik mitnimmt.

Der Hafen bei Nacht

Die Chancen dafür stehen – zumindest bezogen auf die Anzahl der Boote hier, deren Ziel die Karibik ist – äußerst gut, das hatte mir bereits die Hafenrezeptionistin verraten. Allerdings sind die Stege abgeschlossen und außerhalb davon sind die Segler nur schwer von den zahlreichen Touristen zu unterscheiden, die im Hafengelände und den dazugehörigen Shops umherflanieren.


Traumhafte Abendstimmung

Mit Valentin paddle ich auf einem Stand-Up-Paddling-Board hinaus zu den Booten, die vor der Marina ankern. Dort treffen wir auf Garry, einen alten Seebären, der uns sogleich in ein Gespräch verstrickt und begeistert vom Musizieren redet. Schließlich packt er seine Gitarre aus und spielt ein irisches Lied, das ich mir gewünscht habe. Ein unwirklicher Moment, wie wir dort in der hereinbrechenden Dunkelheit auf dem Wasser treiben und diesem, vom Leben gezeichneten Mann und seiner rauen Seefahrerstimme lauschen.


Weitere dieser Erfahrungen bleiben mir allerdings verwehrt, denn bereits am nächsten Tag werde ich krank und liege erst einmal einige Tage flach.


»Bist du eine Seglerin?« Ich lehne mich über die Brüstung und mustere die junge Frau, die unter mir auf dem Steg sitzt. Sie schaut hoch. Inzwischen geht es mir wieder etwas besser und ich bin für einen kurzen Spaziergang zum Hafen gewandert.

Auf Bootssuche ist es immer besser, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Bei »Kannst du mich nach Südamerika mitnehmen?« fühlen sich die Leute zu schnell unter Druck gesetzt. Vor allem in Cascais checke ich erst einmal ab, ob es sich überhaupt um einen Segler handelt, dann werde ich Schritt für Schritt konkreter.

Die Frau nickt und lächelt. »Ja, ich bin Seglerin.« Volltreffer.

Ich stelle mich kurz vor und erkläre, was ich mache und wonach ich suche. »Kennst du Boote, die dieses Jahr über den Atlantik fahren?«, hake ich weiter nach.

»Wir planen das… eigentlich. Mal sehen. Es ist noch nicht ganz sicher.«

Wir kommen ins Gespräch. Bertié stammt aus Nordfrankreich und hat mit ihrem Freund Oliver alias »Ollie« und dessen Kumpel Felíx vor einigen Monaten ein verlassenes Segelboot wieder seetauglich gemacht und ist einfach losgesegelt. Ohne wirkliche Erfahrung.

Das Boot der drei Franzosen

»Das Grundwissen haben wir. Aber das meiste lernen wir unterwegs«, erklärt mir Bertié. »Ursprünglich wollten wir auch segeltrampen wie du. Aber dann hat sich die Sache mit dem Segelboot ergeben und damit die Chance, unser Vorhaben in die eigene Hand zu nehmen.«

Wegen ihrer geringen Erfahrung wissen die drei aber noch nicht, ob sie dieses Jahr schon übersetzen werden. Zurzeit ankern sie neben Valentin außerhalb der Marina und wollen sich uns am Mittwoch anschließen.

»Vor einigen Tagen ist ein Boot in Richtung Madeira gestartet. Vier Leute an Bord, drei davon Tramper. Und es sah so aus, als hätten sie noch Platz für eine weitere Person«, erzählt mir Bertié. Ich ärgere mich, nicht schon früher angekommen zu sein und lasse mir den Kontakt von Nina, einer der Tramperinnen auf diesem Boot, geben, der ich noch am gleichen Abend schreibe. Wenn sich der Skipper dazu entscheidet, für einige Tage auf Madeira zu ankern, kann ich sie vielleicht noch einholen.


Irgendwann ist es dann endlich Dienstag, die letzten Dinge werden besorgt, die Kleidung noch einmal gewaschen und die Vorfreude auf den Segeltourn steigt. Morgen soll es losgehen. Vier Tage, vielleicht auch mehr. Das hängt von den Winden ab. Am Ende werden wir auf den Kanaren oder auf Madeira anlanden, das Ziel steht auch noch nicht sicher fest. Aber es wird auf jeden Fall wieder einen Blogeintrag geben, wenn soweit ist. :)

Bis dahin: bon voyage! ^^

Ein Update zu meinen Wanderstöcken: (Wie am Anfang des Eintrags bereits erwähnt) Die werde ich vermutlich nie wieder sehen. Ich wusste nicht, dass Fransisco nur mit Handgepäck reist und natürlich wurden sie ihm bei der Flughafenkontrolle im Airport von Marseille angenommen. Die Sicherheitsleute haben ihm allerdings nicht – so wie ich es normalerweise kenne – angeboten, die Stöcke auf meine Kosten stattdessen an eine Adresse zu schicken. Auf meine Mails an den Flughafen reagiert keine und die Service-Hotline besteht aus einer automatischen Stimme, die lediglich Infos herunterrattert. Inzwischen musste ich meine Hoffnungen darauf, meine Stöcke je lebend wiederzusehen, deshalb leider begraben. Sollte sich jemand von euch in nächster Zeit in Marseille auf dem Flughafen herumtreiben, kann er oder sie ja trotzdem einmal am Service-Schalter nachfragen. ;)


83 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Kommentare


bottom of page